So will Pinneberg zur Sportstadt werden
Wissenschaftler präsentieren Plan für die Zukunft: Für 30 Millionen Euro könnten zwei Hallen und mehrere Kunstrasenplätze entstehen.
Pinneberg. Zwei Tore. Zwei Netze. Und Unmengen von Erdhügeln. Wer den kleinen Rasenplatz hinterm Stadion An der Raa betritt, denkt eher ans Gärtnern als an Sport. Maulwürfe haben ganze Arbeit geleistet, dicht an dicht türmen sich ihre Haufen auf. Kicken ohne Kreuzbandriss – auf diesem Acker schwierig. Doch das soll sich ändern: Pinneberg will seine Sportstätten fit für die Zukunft machen.
Grundlage ist ein mit wissenschaftlicher Unterstützung erarbeiteter und am Mittwochabend erstmals öffentlich vorgestellter Plan. Für den wurden sämtliche Hallen und Plätze unter die Lupe genommen. Klar ist schon jetzt: Pinneberg muss auf seinem Weg zur Sportstadt bis zu 30 Millionen Euro investieren.
Erarbeitet wurde der integrierte Sportentwicklungsplan gemeinsam mit Experten vom Institut für kommunale Sportentwicklungsplanung an der Fachhochschule für Sport und Management in Potsdam. Die Fachleute haben mit der im Rathaus fürs Projekt verantwortlichen Traudchen Perrefort an vielen Schrauben gedreht. „Eine vernünftige Sportplanung fügt sich in die Stadtentwicklung ein“, sagt Perrefort. Und: „Wir sind heilfroh, eine Arbeitsgrundlage zu haben, der Prozess war sehr lehrreich.“
An Zahlen fehlt es in dem Sportentwicklungsplan, der vor allem von Vereinsbossen jahrelang vergeblich angemahnt worden war, nicht. So wird der Sanierungsstau an Hallen auf 15,5 Millionen Euro beziffert. Zwei benötigte neue Hallen kosten bis zu 8,4 Millionen Euro, drei Kunstrasenplätze, einer davon für die bislang heimatlosen Hockeyspieler des VfL, knapp fünf Millionen.
Spannend sind die Ergebnisse einer Bürgerbefragung. Denn keineswegs ist es so, dass von den Medien gnadenlos in den Fokus gerückte Sportarten wie Fußball bei den aktiven Menschen in der Region vorn liegen. Nach ihren Vorlieben befragt, nennen vielmehr 41 Prozent der befragten Pinneberger das Radfahren als Lieblingssportart. Ähnlich viele bevorzugen Fitness und immerhin 20 Prozent das Joggen. Sogar das Spazierengehen rangiert deutlich vor dem Fußballspielen.
Zahlen, auf die reagiert werden müsse, so Professor Michael Barsuhn, der die Studie am Donnerstag vorstellte. Es sei nicht zukunftsträchtig, nur auf Vereine zu schielen. „Von den Bürgern selbst organisierter Sport spielt eine wichtige Rolle“, sagt Barsuhn. „Das haben wir jetzt empirisch belegt.“
77 Prozent der Pinneberger bezeichnen sich selbst als bewegungsaktiv. Geht es nach Barsuhn, haben moderne, kommunale Sportzentren eine Zukunft. Ein solches entsteht derzeit in Lübeck. An der Falkenwiese wird ein Bewegungspark gebaut, der Vereins- und Individualsport zusammenführt. Kunstrasenplatz, Kletterwand, Skateranlage und ein Beachvolleyballfeld gehören zum Konzept – alles frei zugänglich und bis 22 Uhr beleuchtet. Ein Modell, das in Pinneberg etwa im Stadtteil Eggerstedt oder rund um das Stadion am Fahlt umgesetzt werden könnte. In Lübeck trägt gar der Bund mit 2,7 Millionen Euro einen Großteil der Kosten von insgesamt vier Millionen Euro.
Für die Stadt Pinneberg noch Zukunftsmusik. Aber womöglich ist der erste Akkord am Mittwoch erklungen. „Es macht mich stolz, dass wir diesen Sportentwicklungsplan unter großartiger Beteiligung der Vereine und der Bürger erarbeiten konnten“, sagt jedenfalls Bürgermeisterin Urte Steinberg. Jetzt gelte es, in den Gremien an der Umsetzung zu arbeiten. Dafür müssten auch zusätzliche Stellen geschaffen werden, etwa beim Kommunalen Servicebetrieb der Stadt, der sich um die Hallen und Plätze kümmert. Bereits im Haushalt 2019 werde sich die Sportplanung niederschlagen. Fraglos sei die Umsetzung eine Sache von Jahren. „Aber Weitsicht hat noch nie geschadet“, so Steinberg.
Das sieht Barsuhn nicht anders. Er hat abgeliefert – und nimmt jetzt die Rolle des Beobachters ein. „Wenn wir gefragt werden, sind wir bereit, Impulse zu geben“, so der Professort für Sportmanagement, der an der Anzahl der Pinneberger Sporstätten nichts auszusetzen hat. Nur stimme die Qualität nicht.
Quelle: Hamburger Abendblatt vom 16. März 2018, Andreas Daebeler